Irgendwann werden alle nass

„Der alte Raab* sagte immer: ‚Wenn’s lang genug regnet, werden alle nass.‘“ Diese Aussage meines Gegenübers überfrachtete ich sofort mit tiefgründiger Philosophie. Die Welt des Investierens kam mir in den Sinn. Was sonst! Namentlich der Urvater des Investierens nach der Value-Philosophie und Mentor von Warren Buffett: Benjamin Graham. 

Graham wurde 1894 geboren und häufte im großen Bullenmarkt der 1920er-Jahre ein Vermögen an. Er wurde als Finanzgenie tituliert, durchlebte dann jedoch die bitteren Jahre der großen Depression. Zum Jahresende 1920 stand der Dow Jones Industrial Index bei 300 Punkten. Zum Tiefpunkt 1932 nur noch bei 41. Nach einem Preisrückgang von 86% waren schlussendlich „alle nass“. So mein roter Faden. 

Die schlimmsten Börsenjahre der Geschichte

Ein kurzer Rückblick auf die jährlichen Ergebnisse des Dow Jones Industrial Index, kurz Dow. Ein preisgewichteter Index von 30 Titeln, der auch heute noch besteht:

1929: -17,17%
1930: -33,77%
1931: -52,67%
1932: -23,07%

Graham konnte sich dem Börsenumfeld nicht entziehen. In Summe erlitten Grahams Investitionen einen Rückschlag von 70%. Es regnete lange genug, um auch das Finanzgenie nass zu machen. 

Diese Phase prägte seinen Investmentstil bis ans Lebensende. Erst wenn ein Unternehmen unter dem Substanzwert handelte, gab ihm das die nötige Sicherheitsmarge, um zuzugreifen. Doch Ben Graham investierte weiter und gab nicht auf. So wurde er schließlich zu einer Investmentlegende, die bis in die heutige Zeit strahlt.

Aktuell sind die Aktienmärkte auf neuen Höchstständen. Ein Zeitpunkt, zu dem ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, ein wenig gruselige Börsengeschichte zumuten kann. Denn der Rückblick auf die 1930er-Jahre lässt uns alle erschaudern. 

Niemand kann in die Zukunft blicken. Und niemand kann garantieren, dass es nicht wieder schwierige Zeiten geben wird. Umso wichtiger ist es, sich in guten Zeiten (so wie jetzt) eine klare Investmentstrategie und Disziplin zurechtzulegen. Gekoppelt mit der Entschlossenheit, diese auch bei Gegenwind unerschrocken anzuwenden, sind wir für alles gewappnet. 

*Der „alte Raab“ war vor langer Zeit Platzwart meines Tennisclubs Wienerberger. Das Zitat wurde von Chris über die Zeit gerettet, der mit seiner Familie heute die Seele des Clubs bewahrt. Er erinnerte sich daran, wie der alte Raab bei einsetzendem Regen am Platz im wundervollsten Wienerisch philosophierte. Die Erwartung der Aussage war jedoch, dass der Regen alle Plätze wässert und ihm so die Arbeit des Platzspritzens ersparen wird. Nicht die Menschen waren gemeint, sondern die rötlichen Sandplätze. So viel zu meiner tiefgründig philosophischen Interpretation.